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Texts & Publications - Jörg Madlener


„Jörg Madlener is restless, in his spirit, his home – and his art“ (Jörg Madlener ist ruhelos, in seinem Temperament, seiner Heimat – und auch seiner Kunst“) titelte die „Aspen Times Weekly“ am 19.11.2000. Im Juli dieses Jahres besuchte der international renommierte, in den USA lebende Künstler die Stadt Kempten, die er nach seinem Abitur am Carl-von-Linde-Gymnasium 1958 verlassen hatte.
Mit dem KREISBOTEN sprach Madlener über alte Erinnerungen, sein Leben, seine Arbeit und über Dinge, die ihn beschäftigen. 

Seine Bilder sind Teil öffentlicher Sammlungen quer über den Globus. Orte, von denen viele Künstler nur träumen: Albertina in Wien, Solomon R. Guggenheim Museum in New York City, Musée d’Art Moderne und Palais de Justice in Brüssel, Museum of Modern Art in Denver (Colorado), Banque Rothschild in Zürich sind nur einige darunter. Die Liste der Ausstellungsorte füllt mehrere Seiten. Prominente Namen wie die Kunsthalle in Darmstadt, das B.P.I Centre Pompidou in Paris oder das Museo de Bellas Artes in Buenos Aires repräsentieren nur einen mikroskopischen Ausschnitt eines rastlosen Lebens. Was bewegt einen so intensiv nach vorne strebenden, erfolgreichen Künstler, an einen Ort zurück zu kehren, den er vor fast 50 Jahren hinter sich gelassen hat? Kurze Stippvisiten hätten ihn in den Jahrzehnten zwar gelegentlich auf Verwandtenbesuch ins Allgäu geführt, aber Zeit für alte Jugendfreunde und sich auf eine sentimentale „Reise“ zu begeben, habe er erst mit einem längeren Aufenthalt im letzten Jahr gefunden. Bei dieser Gelegenheit habe er der Stadt Kempten auch 115 Bilder aus seiner Brüsseler Zeit geschenkt. Diesmal habe er sich für den Besuch erneut mehr Zeit genommen. Einmal um wieder Weggefährten aus der Jugendzeit zu sehen und um sich seiner hier lagernden Bilder aus den Jahren von ca. 1960 bis 1990 anzunehmen. „Hier zu sein berührt mich emotional stärker als ich es für möglich gehalten hatte“ offenbart er. Es mache ihn fast nostalgisch sentimental. So werde es im Herbst nächsten Jahres vom Kulturamt eine große Madlener-Ausstellung in Kempten geben. Schließlich sei die Schulzeit in Bayern, erst im Kloster Ettal und dann in Kempten, in vielerlei Hinsicht prägend für ihn gewesen. Auch bezüglich seiner künstlerischen Laufbahn, da hier der Grundstein dafür gelegt worden sei. Im Kloster hätten ihn die Kirchenbilder inspiriert und einen ersten Impuls in Richtung Malerei gegeben. Entscheidend sei dann seine Zeichnung von der Schachenmayrschen Fabrik in Kempten gewesen. „Die brauchte ich für das Architekturstudium an der TU in Darmstadt, das ich meinem Vater zuliebe begann“ erinnert sich Madlener, womit er in die Fußstapfen seines berühmten Großvaters Ambros Madlener getreten sei, der hier ein angesehener Baumeister und Architekt gewesen war. Nach dem Vordiplom habe er aber das Architekturstudium aufgegeben um an der anerkannten „Städelschule“ in Frankfurt Kunst zu studieren, sowie Soziologie und Philosophie an der Goethe-Universität, unter anderem bei Theodor Adorno. Bereits Mitte der 60er Jahre zog er weiter nach Belgien, bevor es ihn knapp zwanzig Jahre später in seine heutige Heimat nach New York verschlug.
Mit Bühnenbildern für Theater habe er sich damals sein Studium finanziert. Bis heute seine zweite Leidenschaft, mit der es Madlener ebenfalls zu internationaler Anerkennung gebracht hat. Produktionen an den Nationaltheatern in Brüssel, dem niederländischen Hague, Saarbrücken oder Karlsruhe wurden von ihm ausgestattet. Um seine Passion auch in den USA verfolgen zu können, gründete er 1998 zusammen mit der Architektin Midori Kurihana das „Atelier Madlener for theater and opera“ das sich unter anderem für Bühnenbilder von Produktionen des „Aspen Opera Theater Center“ und der “ Opera Colorado“ in Denver verantwortlich zeichnet. Im Jahr 2001 gründete er die Sommerakademie Toblach-Dobbiaco für Malerei und Fotografie in den italienischen Dolomiten.

Ruhelos im Geist, bezüglich seiner Heimat, in seinem Schaffen. Das trifft auf Madlener wahrlich zu. Im Gespräch springt er von Bayern in die USA und wieder zurück, macht Halt in Belgien, gibt seine Leidenschaft für die Reiterei preis, ein kurzer Ausflug in die Kindheit, um gleich wieder in seinem Atelier zu sein. Nachdenklich ernst, dann wieder spitzbübisch, kritisch polternd und philosophisch zerpflückend. Der Facettenreichtum seines Wesens spiegelt sich in seinem Leben und Werk. Mit einem kritischen Selbstbildnis hatte er während seiner Frankfurter Zeit Otto Dix so sehr beeindruckt, dass dieser ihn als Privatschüler aufnahm. Dann folgte eine längere Zeit in Belgien, das er 1982 mit einer über 90 Zeichnungen und Gemälde umfassenden thematischen Arbeit zu „Tod in Venedig“ (nach Thomas Mann und Luchino Visconti) auf der Biennale in Venedig vertrat. In Antwerpen besuchte er die Meisterklasse von Jos Hendrickx am „Nationaal Hoger Institut Voor Schone Kunsten.“ Sein ‚Handwerk’ hat er gründlich gelernt, was in seinen Arbeiten, die laut Madlener „zwischen extremem Expressionismus und diffuser Figuration pendeln“, erkennbar ist. Die stark philosophische Prägung Madleners –unter anderen ist er von Levinas, Celan und Hegel angetan- ist in seinem künstlerischen Werk ebenfalls nicht zu übersehen. Fast akribisch setzt er sich mit den Themen auseinander, wenn er sie umsetzt. Mit dem Umzug in die USA verstärkt sich der Einfluss von Jackson Pollock, der neben Francis Bacon zu seinen großen Vorbildern zählt, und in der Serie „Mountain and The Woodmans Hut“ zum Ausdruck kommt. Besonders aber haben es ihm Gesichter angetan. Sie ziehen sich wie ein roter Faden durch Madleners Schaffen. Allen voran das Gesicht Gustav Mahlers, das ihn bis heute nicht losgelassen hat. In seiner Zeit in Aspen entstanden Ende der 90er Jahre einige seiner wichtigsten Werke, darunter „Gustav Mahler Landscape of a Face“, das in zum Teil zwei Meter hohen Portraits „das Gesicht als Landschaft zeigt, so wie eine Fliege es vermutlich sieht, wenn sie darüber läuft“ beschreibt Madlener seine Intention dahinter. Von einer intensiven Auseinandersetzung mit Robert Musil zeugt eine andere Serie aus Zeichnungen zu dessen Texten. Seine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema Krieg und den dazu entstandenen Arbeiten „Sandstorm“ löste in den USA gemischte Reaktionen aus. Kein gefälliges Thema. Der Tod, ein weiteres unbequemes Sujet dem er seine Aufmerksamkeit schenkt. Oberflächlich sind seine Werke wahrlich nicht. Die Entwicklung der Person Jörg Madlener überträgt sich auf seine Bilder. Die ungebändigte Wildheit der frühen Werke weicht einer noch stärkeren Intensität, die zielgerichteter scheint. 
Etwas nachdenklich macht ihn die Einstellung vieler Nachwuchskünstler. „Kunst wird heute als Konzept betrachtet, nach dem Motto: Wenn ich das mache, habe ich Chancen es zu schaffen“ macht er seinem Unmut darüber Luft. Dabei sei der Trend eh meist zu kurzlebig und schon wieder vorbei bis der Student so weit sei. 
Was kann für einen Kunstschaffenden wie Madlener künstlerisch noch reizvoll sein? „Bilder von der Schachenmayr Fabrik würde ich gern noch einmal machen“ antwortet er ohne zu zögern. Ansonsten würden ihn Gesichter momentan wieder stark beschäftigen, denn „das Gesicht des Anderen ruft mehr nach meiner Verantwortung als das eigene.“ Auch habe er seit einigen Jahren die Farbe Schwarz für sich entdeckt, „die vielleicht geheimnisvollste Farbe“ wie er meint. Und was bedeutet es ihm, sich während seiner nostalgischen ‚Zeitreise’ ins Allgäu auch mit seinen Werken aus Brüsseler Tagen zu beschäftigen? „Es sind gut 30 Jahre meines Lebens“ sagt er während wir die Bilder ansehen, „und ich finde die Bilder noch immer gut“ sagt er mehr aus Überzeugung denn aus Stolz. Die rund 50 Zeichnungen, Grafiken und Bilder können nach Terminvereinbarung vom 14. August bis Anfang September 2007 besichtigt werden.

Christine Troeger

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